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Hinfort, tumbes Schlachtgetümmel!

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Einmal im Monat findet in meiner Lieblingsbuchhandlung Otherland das Lesetreffen Gatherland statt.

Trotz Kälte und Dschungelcamp überwand ich meine innere Trägheit und eilte gestern auf U-Bahngleisen nach Kreuzberg.

Zum Glück erinnerte ich mich rechtzeitig daran, dass mich Christian Kathan gebeten hatte, ihm Bescheid zu sagen, ginge ich mal wieder ins Otherland, man könne vorab etwas beim Österreicher quatschen.
Denn bei unserem Treffen Anfang Januar im Café Chagall saß er zu weit weg, um sinnvoll Sätze zu tauschen.
So kam es also im Felix Austria zu erquickenden Gesprächen über Superheldencomics, deren Verfilmungen und dem miesen Zustand der SF in deutschen Landen.

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Christian Kathan etwas später im Otherland

Während ich mir einen unfassbar vorzüglichen Hirschrücken mit Rosenkohl und Serviettenknödeln auf der Zunge zergehen ließ (ich fange gleich wieder an vor Wonne zu jauchzen), mussten wir auf Christians Obstknödel etwas warten, sodass wir leider nicht ganz pünktlich ins Otherland huschten – vom glücklichen Österreich zum unheilgebärenden Österreicher sind es nur wenige Schritte.

Denn im Otherland gab Daniel Westheide bereits eine Inhaltszusammenfassung von Norman Spinrads utopischer SF-Satire Der Stählerne Traum vor aufmerksam lauschendem Publikum zum Besten.

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Daniel Westheide

Wer das Skandalbuch nicht kennt: In einem Paralleluniversum ist Hitler SF-Autor und eines seiner Machwerke bildet den Haupteil des Buches. Abgerundet wird das Ganze durch eine fiktive Literaturkritik, die Werk und Autor in den Kontext der 50er Jahre (der Parallelwelt) einordnet.

Spinrads Werk erschien 1972, in deutscher Übersetzung allerdings erst 1981 und wurde bereits ein Jahr später indiziert. Der BGH kippte das Urteil 1987. Die Indizierung machte Spinrad und sein Werk in Deutschland überhaupt erst populär.
Daniel erzählte einiges zur Rezeption und bot eine Menge Zitate und Analysen auf, um die anschließende Diskussion zu unterfüttern.
Spinrad schrieb Iron Dream wohl hauptsächlich als Kritik an der damaligen SF, die mit ihren militärischen Themen und Heldengeschichten in eine Richtung gingen, die für ihn unerträglich war.

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Die aktuelle Ausge und darüber ein Alien Contact Sammelband von Hardy Kettlitz mit Interview und Essay von Norman Spinrad

Als LeserIn sollte man erkennen, dass sich Hitlers SF-Roman in nichts von Mainstream-SF unterscheidet und es gefährlich einfach ist, mit einem faschistoiden Helden mitzufiebern.
Wir kamen in der Diskussion auch auf vergleichbare aktuelle Tendenzen zu sprechen. Gerade in der Fantasy ist das blutige Schlachtengetümmel ein beliebter Standard und führt direkt zu einer Romantisierung von Krieg und Gewalt.
Das rennt bei mir ja offene Türen ein. Military SF und ultrabrutale Fantasy dominieren scheinbar das Genre und bieten kaum Luft für Romane, die sich mit echten Problemen und brennenden Themen beschäftigen. Lieber noch eine Space Opera mit 0815-Plot für den Markt.
Wolfgang Treß fragte als Buchhändler dann auch, ob die Käuferschaft das liest was die Verlage drucken oder ob die Verlage das schreiben lassen, was die Leserschaft haben will.

Mich jedenfalls fragt kein Verlag. Elfenwerk!


4 Kommentare

  1. nomadenseele sagt:

    Wolfgang Treß fragte als Buchhändler dann auch, ob die Käuferschaft das liest was die Verlage drucken oder ob die Verlage das schreiben lassen, was die Leserschaft haben will.

    – Das ist wirklich eine sehr interessante Frage.

    Gefällt 2 Personen

  2. Melanie sagt:

    Ein Kreis hat keinen Anfang und kein Ende, das ist das Problem!

    Gefällt 1 Person

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