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Was lange währt, wird NOVA

Im Januar standen wieder einmal die Nominierungen für den Kurd Laßwitz Preis an und da ich dem leidgeprüften Blick von Udo Klotz selbst dann nicht widerstehen kann, wenn er nur in meiner Einbildung aus der Erinnerungsmail auf mich herniederfährt, griff ich mir endlich die 25. Ausgabe des SF-Magazins NOVA, um wenigstens ein paar Ideen für die Kurzgeschichten-Kategorie zu bekommen.

Die 25 erschien zwei Jahre nach der 24 und wenige Wochen vor der 26. Verlagswechselbedingt hatte ich die 26 dann auch vor der 25 im Haus. Und kein Bock, sie zu lesen. 2018 wurde ich mit Phantastik-Anthologien zugeschüttet. So gern ich auch Kurzgeschichten lese, reichen mir davon zwei Bände im Jahr vollkommen aus. Denn meiner Erfahrung nach gibt es einfach kaum mehr als ein Dutzend wirklich guter Storys pro Jahrgang und diese aus hundert Anthos rauszufinden würde bedeuten, tausend mittelmäßige bis miese Geschichten lesen zu müssen.

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NOVA 25, Cover von Olaf G. Hilscher

Theoretisch steht das NOVA-Team für eine exzellente Story-Auswahl, sodass ich also zumindest eine brauchbare Chance habe, dort nominierungswürdige Kandidaten zu finden. Tatsächlich fand ich sie auch. Allerdings war das schon ein heftiges Gekratze in den Ecken und restlos zufrieden bin ich mit der 25 nicht. Und noch etwas unmotivierter, die 26 zu lesen.

Wer sich vom seltsam langweiligen Titelbild nicht abschrecken lässt, sollte sich auf jeden Fall »Entkoppelt« von Marcus Hammerschmitt und »Enola in Ewigkeit« von Thomas Sieber ansehen. Zwei wunderbar erzählte Geschichten und gerade »Enola« hat das gewisse Etwas. Aber ich bin schon länger Fan der Geschichten von Thomas Sieber.

In meiner Rezi gehe ich auf die einzelnen Texte der NOVA 25 näher ein, hier deshalb nur der Verweis darauf: Nova 25 herausgegeben von Olaf G. Hilscher und Michael K. Iwoleit

Für eine Handvoll Gags

Als ich Uwe Hermann beim eBook Event der Brennenden Buchstaben lauschte, beschloss ich spontan, ihn für den Fantasyguide zu interviewen und schrieb ihn auch bald an. Hocherfreut bekundete er prompt sein Einverständnis.

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Uwe Hermann

Während der Recherche für die Fragen stieß ich auf ein Interview von meinem alten Phantastik-Mentor Michael Schmidt, das er für den Phantastikon vor zwei Jahren führte. So brauchte ich diverse Dinge nicht erneut fragen und konnte mich ganz darauf konzentrieren, mir etwas Neues einfallen zu lassen.

Immerhin wurde das Interview gleich hochbrisant, da Uwe inzwischen den KLP für seine SF-Story Das Internet der Dinge gewann. Da diese Story auch gerade Grundlage eines coolen Fanprojektes ist, konnte ich den braven Autor auch hierzu gleich wichtige Informationen aus der Nase ziehen.

Mit den Antworten kam zudem ein Schwung Fotos und Cover an – ideale Arbeitsbedingungen. Ein Extra-Bienchen für Uwe Hermann!
Wenn er jetzt auch noch den DSFP gewinnt, steht einer noch steileren Karriere als SF-Autor nichts mehr im Weg.

Mir hat das Fragenstellen Spaß gemacht und wer sich ebenfalls daran ergötzen will, findet das Gesamtkunstwerk im Fantasyguide: Interview mit Uwe Hermann

Flux in den Orb und zurück

Seit der allerersten Novelle in Nova 20 bin ich absoluter Fan von Der Kanon mechanischer Seelen. Nach drei weiteren Novellen mit demselben Personal und der selben Welt entschloss sich Michael Marrak daraus einen Roman zu machen und der wurde riesig. 725 Seiten!

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Der Kanon mechanischer Seelen von Michael Marrak, Cover ebenfalls von Michael

Da traf es sich ganz gut, dass ich übers Wochenende im Krankenhaus weilte und mich nach einer Ohr-OP ganz in den Kanon versenken konnte.

Das Wiedersehen mit Ninive, Cutter und dem Land vor der großen Mauer verlief zu meiner völligen Zufriedenheit. Michael hat die Handlungsfäden nicht nur großartig miteinander verknüpft, er baute alles aus, um und erschuf eine wunderbare, kunterbunte SF-Landschaft voller Liebe und Humor, dass man gar nicht mehr aufhören will, sich darein zu kuscheln.

Ich konnte in den letzten Jahren immer mal wieder Lesungen von Michael besuchen, meist im Second Life und jede Kanon-Geschichte begeisterte mich. Der freche Witz zündet live einfach noch mehr.

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Buchpremiere beim Ersten Virtuellen Literaturcon am 22.10.2017

Ich mag es verrückt und phantastisch. Vielleicht bin ich ja deshalb jetzt völlig hin und weg. Der Kanon mechanischer Seelen ist definitiv mein Kandidat Nummer eins für den KLP – ist quasi kurz vor knapp damit.

In Arbeit ist ein Interview mit Michael für den Fantasyguide und ich hoffe, dass es genau so umhauend wird, wie sein Buch. Da er der Perfektionist ist, liegt jegliches Banausentum bei mir

Etwas mehr zu Inhalt und Faszination bietet meine Rezi: Der Kanon mechanischer Seelen von Michael Marrak

Das Funkeln schwarzer Perlen im dunklen All

Neues Jahr, neue Preise! Die Nominierungen für den Kurd Laßwitz Preis stehen an und da ich ja gerade erst meine Lektüreliste 2017 durchforstet habe, bietet es sich an, auch gleich nach Nominierungswürdigem zu buddeln. Wobei ich mit dem Absenden noch warten werde, denn Der Kanon mechanischer Seelen von Michael Marrak ist offiziell 2017 erschienen und ich vermute, dass dieser Roman relevant sein wird.

Für die Kategorie Bester SF-Roman des Jahres 2017 stehen zwölf Werke zur Auswahl und wie jedes Jahr zerbreche ich mir den Kopf, was für mich an einem Roman nominierungswürdig ist. Das Feld ist extrem unterschiedlich und reicht vom heißen Sexabenteuer bis zur Mathe lastigen Hard-SF.

Hat eines der Bücher Potential, ein Genre-Klassiker zu werden? Schwer zu sagen. Die Wurmloch-Odyssee ist zwar in dieser Form eine Neuerscheinung, aber durch ihre lange Editionsgeschichte schon irgendwie ein Klassiker. Sowohl sprachlich als auch von der Ideenverarbeitung her gehört der Episodenroman definitiv an die Spitze der Liste, doch ich befürchte stark, dass er nicht zugelassen wird. Werkausgabe und so.

Wie nun weiter auf der Werkeleiter? Vergleichen wir mal die Postapokalypsen.
Da es keine Extra-Kategorie für Debüts gibt, muss sich Junktown brav einreihen und im direkten Vergleich zu Qualityland steckt der Roman von Matthias Oden zurück. Westlake Haven ist von den dreien wohl das technisch interessanteste SF-Werk und bot neben den bereits bekannten Schrecken unserer digitalen Zukunft mir zumindest noch weitere Themenbereiche an.

Kommen wir zur Space Opera. Kai Meyer lieferte mit Die Krone der Sterne ein spannendes und unterhaltsames SF-Debüt. O.R.I.O.N entwickelte sich in diesem Jahr mit den Bänden 6 und 7 deutlich weiter in Richtung Horror. Alle drei Romane sind gute Unterhaltung, gehören aber nicht auf eine Nominierungsliste. Die Nadir-Variante bildet leider den letzten Platz in diesem Subgenre, da hier für mich einfach zu wenig passte.

Uwe Posts SF-Satire um den Weltraumdetektiv Walpar las sich genauso vergnüglich wie das Robotermärchen Knallmasse von Ulrich Holbein, jedoch fand ich die liebenswürdige Reise des Roboters insgesamt charmanter. Ob aber eine überarbeitete Neuasgabe für den KLP akzeptiert wird, wage ich zu bezweifeln.

Was mach ich nun mit dem neuen Dath? Im Nachhinein betrachtet fehlt dem Roman einfach das gewisse Extra für einen Spitzenplatz. Tolle Figurenkonstellation, raffinierte Szenen und ein wissenschaftlicher Unterbau, aber Daths Poesie ist mir zu kühl geblieben, der Matheanteil zu trocken.

Bleibt das Sexabenteuerchen von Guido Krain. Ich glaub, es hat sich den zwölften Platz redlich verdient. Egal wie finster mich Herr Hammer jetzt auch anstarrt.

Somit hätten wir, tada!, eine vorläufige Nominierungsliste. Die ersten drei werden weiterkommen und ich werde Udo Klotz Ersatzkandidaten anbieten müssen.
Sind jetzt nun die großen Kracher dabei gewesen? Nein. Kann sein, dass ich ihn bisher einfach verpasst habe, in der Liste von sf-lit.de finden sich immerhin knapp hundert Titel. Aber man kann ja nie alles lesen.

Meine Nominierungskanditatentopzwölf für die KLP-Kategorie Bester SF-Roman 2017:
01. Angela Steinmüller, Erik Simon und Karlheinz Steinmüller – Die Wurmloch-Odyssee
02. Marc Späni – Westlake Haven
03. Ulrich Holbein – Knallmasse
04. Marc-Uwe Kling – Qualityland
05. Matthias Oden – Junktown
06. Dietmar Dath – Der Schnitt durch die Sonne
07. Uwe Post – Walpar Tonnraffir und die Ursuppe mit extra Chili
08. Guido Krain – Friedhof der Assassine
09. Kai Meyer – Die Krone der Sterne
10. Norma Feye – Himmelfahrt
11. Armin Rößler – Die Nadir-Variante
12. Guido Krain – Hammer & Söckchen

Zu den restlichen Kategorien werde ich mich vielleicht gesondert äußern.

Zweimal schwach ist traurig

Die blühende Landschaft deutscher Phantastikpreise ist bunt. Während ich wenig zur Fantasy und zum Horror sagen kann, fällt mir zur Science Fiction schon mehr ein.

Preise sind Geschmackssache, daher ist es völlig in Ordnung, wenn ich mit meiner Meinung allein da stehe. Niemand muss sie teilen und der folgende Text soll niemand angreifen, kleinreden oder gar beleidigen.

Jedenfalls ist das Ergebnis der diesjährigen Runde zum Deutschen Science Fiction Preis und zum Kurd Laßwitz Preis in den Kategorien deutschsprachige SF-Romane und SF-Kurzgeschichten in meinen Augen schwach.

Ich gönne der Siegerin Gabi Behrend und den Siegern Dirk van den Boom, Andreas Brandhorst und Michael K. Iwoleit ihre Preise, alle vier habe ich schon persönlich getroffen oder zumindest live erlebt und alle sind nett, wenn man mit MKI auch trefflich streiten kann. Alle vier schreiben auch gar keinen Mist und haben zum Teil sogar ganz Großartiges verfasst.

Was mich aber stört ist, dass sowohl beim DSFP als auch beim KLP erneut solider Mainstream gewonnen hat, vermutlich sogar eher die Menschen als ihre Werke.

Schaut man sich etwa die Punkteverteilung für die Romane beim KLP an, konnte der Gewinner Andreas Brandhorst mehr als doppelt so viele Punkte erringen wie Frank Hebben. Selbst Thomas Thiemeyer und Horst Evers landeten vor der Novelle Im Nebel kein Wort. Vielleicht lag es auch an der Entscheidung, sie nicht bei den Kurzgeschichten zu listen, aber dass die deutschen SF-Schaffenden in so eklatant deutlichen Zahlen den Standardroman feiern, enttäuscht mich doch. Ich befürchte, dass derartige Zeichen weder Experimentierfreude noch literarische Kreativität fördern helfen.

Ich beobachte seit Jahren, dass in dem von mir besuchten Teil des Fandoms, ein gewaltiger Tellerrand entstanden ist, der nur ganz selten überklettert wird. Kaum eines der für mich spannenden SF-Werke der letzten Jahre fand dort Beachtung oder LeserInnen. Falls doch mal ein Werk gelesen wurde, zeigte sich schnell eine fast intuitive Ablehnung von Sprache und Themen jenseits des Gewohnten. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass oft jene Texte begehrt sind, die an Werke erinnern, mit denen die eigene SF-Begeisterung begann. Das ist an sich völlig in Ordnung, aber letztlich ein Schmoren im eigenen Saft. Und vor allem stinklangweilig.

Spannende Abenteuerromane lese ich sehr gerne, doch von einem Buch des Jahres erwarte ich mehr. Ich find die Ergebnisse für die deutsche SF bedauerlich, beglückwünsche aber natürlich sowohl Gabi, als auch die die drei Herren. Möge sie das Wort nie verlassen!

Ausgespielt

Ende des Monats sind die Stimmen für den Kurd Laßwitz Preis fällig und in Vorbereitung darauf habe ich mir zumindest einige der Kurzgeschichten zu Gemüte geführt, die ich im letzten Jahr noch nicht gelesen hatte.

Nominiert waren Storys aus Exodus 34 und 35, Nova 24, Zwielicht Classic 10 und aus der Gamer-Anthologie.

Nova 24 hatte ich zeitnah gelesen und die nominierte Geschichte von Markus Hammerschmitt hat auch meine volle Unterstützung. Den Text von Gabi Behrend in der Exodus 35 musste ich mir erst vornehmen, da ich mich nicht zum Abschluss der Lektüre des Heftes durchringen konnte. Exodus ist grafisch stets eine Pracht, aber inhaltlich haut es mich nicht aus den Socken. Deshalb kaufte ich die 34 auch nicht, die 35 bekam ich geschenkt und Gabis Geschichte bestätigt leider meine Meinung.

Aber Gamer interessierte mich dann doch und inzwischen hab ich nicht nur die beiden nominierten Storys von Michael K. Iwoleit und Niklas Peinecke gelesen, sondern alle.

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Gamer hrsg. von André Skora, Armin Rößler und Frank Hebben; Cover: Tim Eckhorst

Warum MKIs Story (der Link führt zur kompletten Story) nominiert wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Der Text ist in meinen Augen sehr bieder und weit davon entfernt den hohen Ansprüchen des Autors zu erfüllen. In der Anthologie gibt es wesentlich innovativere Geschichten wie die von Frank Hebben etwa, politisch brisant dazu ist noch die Fußball-Geschichte von Armin Rößler und eine raffiniertere Dramaturgie liefert Thorsten Küper.

Niklas‘ Geschichte passt perfekt in die Themen-Anthologie, ist teilweise ziemlich schräg erzählt und besitzt auch das nötige Figurenspiel, um ein cooles Ende einzufahren.

Damit steht meine KLP-Reihenfolge fest: Hammerschmitt, Peinecke, MKI. Keine schlechte Auswahl an Kurzgeschichten, aber die beste des Jahres ist nicht darunter, denn die wurde als Roman nominiert.

Darum finden sich bei den Romanen exakt drei Bücher die ich gelesen habe und die Reihenfolge fällt mir leicht: Hebbens großartige Antikriegsgeschichte Im Nebel kein Wort war mein SF-Höhepunkt 2016. Karla Schmidts Beitrag zu D9E gehört zu den besten Romanen der Reihe und Horst Evers räumt damit mit mehr Glück als Verstand den dritten Platz ab. Sein Buch war nicht schlecht, aber eben mehr Klamauk als SF. Wobei ich mich ja immer noch wie Bolle freue, dass ich ihn live erlebt habe.

Von den anderen zehn nominierten Romanen reizt mich nur noch der Kruschel, den zu lesen war aber nicht mehr drin.

Bei den internationalen Romanen hab ich auch nur drei der neun Bücher gelesen und es tut mir Leid um Jo Walton, aber die Carmichael-Reihe werde ich ein andermal weiterlesen.

Daher: Die drei Sonnen, Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten und auf Platz 3 Aurora. Wobei mir wieder einfällt, dass ich den Bericht über die Lesung von Robinson immer noch nicht verfasst habe.

Entsprechend mau sieht‘s auch bei den Übersetzungen aus. Aber Martina Hasse hat sich mit der Cixin Liu-Übertragung wirklich große Mühe gemacht und gewinnt somit vor Karin Will.

Ich überlege noch, ob ich Oliver Plaschka auf Platz 3 setze, ohne das Buch bisher gelesen zu haben, aber Mr. Sapien träumt vom Menschsein werde ich mir garantiert noch zu Gemüte führen. Der steht dick auf meiner Wunschliste.

Bei den Graphiken habe ich einen ganz klaren Favoriten: Stas Rosin ist das Beste an Exodus 35, er ist darin noch mit einer Galerie seiner Bilder vertreten, allesamt großartig, phantastisch und exakt mein Geschmack. Das Cover zu Hauptsache gesund von Lothar Bauer, der gleich dreimal nominiert ist, fand ich schon beim ersten Sehen megacool und der zweite Platz ist wohlverdient. Platz 3 ist dann schon schwieriger. Markus Vogt, Greg Ruth oder Das Mustrat? Ich weiß es noch nicht.

Von den Hörspielen habe ich keines gehört, entfällt also. 1,5 von ihnen sind auch gar nicht mehr verfügbar.

Der Sonderpreis für einmalige Leistungen erschließt sich mir nicht so, aber dass Hardy Kettlitz einen für langjährige SF-Arbeiten verdient hat, steht fest. Aber ich wage mal die Voraussage, dass sich Herbert W. Franke am Ende freuen wird.

Damit bin ich gut vorbereitet, meinen Stimmzettel loszuschicken, und vielleicht fahr ich ja mal zur Verleihung nach Dresden. Einen PentaCon habe ich noch nie besucht.

Und noch einen Blick in die Zukunft wage ich: Auf meiner KLP-Liste für 2017 wird Junktown von Matthias Oden zu finden sein. Das lese ich gerade, übrigens witzigerweise parallel zu Neosapiens von Nik Page (ein Tipp von Hardy Kettlitz) und obwohl ich Dystopien eigentlich schon lange nicht mehr sehen kann, sind beide ziemlich schräge und fesselnde Vertreter davon.

Puh, langer Blogpost, der aber nicht ohne einen Link zu meiner Rezi enden soll: Gamer hrsg. von André Skora, Armin Rößler und Frank Hebben.

Alles so schön bunt hier

Als ich kürzlich ymir oder aus der hirnschale der himmel von Philip Krömer rezensierte, schickte mir der homunculs verlag gleich ein Verlagsprogramm mit. So erfuhr ich, dass just im Frühjahr das nächste Science Fiction Werk erscheinen sollte. (Und ja, ich zähle ymir zur SF, auch wenn es mir als Nominierung für den KLP abgelehnt wurde.)

Pünktlich zur Leipziger Buchmesse erschien nun Knallmasse von Ulrich Holbein.

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Knallmasse auf der Leipziger Buchmesse

Es handelt sich dabei um eine überarbeitete Version, denn das Original Knallmasse. Ein kosmisches Märchen erschien bereits 1993. Worin die Überarbeitungen bestehen, kann ich nicht sagen – ich habe bisher weder vom Buch noch vom Autor etwas gehört. Dabei kann Ulrich Holbein auf ein erstaunlich umfangreiches Werk zurückblicken.

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Knallmasse von Ulrich Holbein

Knallmasse heißt das Buch und ist somit nach seiner Hauptfigur betitelt. Knallmasse ist ein denkender Roboter. Er lebt in einer komplett von Grau, Krach und Kanten beherrschten Robotergesellschaft. Rigide Regeln bestimmen das Leben. Dröhnender Lärm ist der Inbegriff der wohltuenden Beschallung und so heißt der Staat auch DeziBel. In sogenannten Zentralschulen werden die DeziBeliten auf Spur gebracht, alle drei Minuten werden sie mit dem SCHLAG belohnt, eine Art Endorphinausschüttung für Roboter.

Eine große Schutzfolie verhindert, dass Sonnenlicht auf DeziBel fällt und seine Bewohner blendet. Hinter dieser Folie ist das Universum zudem bunt, melodisch und voller weicher Dinge, wie etwa die menschenähnlichen, aber eierlegenden Wulwiletten.

Ein gefangenes Pärchen jener Wulwiletten müssen sich die Zentralschulpflichtigen, unter ihnen Knallmasse, im Biologieunterricht angucken und finden das Weiche und Bunte an ihnen unerträglich eklig.

Doch ein Unfall im Abhärtungsunterricht, bringt in Knallmasses Code etwas durcheinander und plötzlich mag er Weiches. Mit den beiden Wulwiletten flieht er aus DeziBel und erlebt einige phantastische Abenteuer in einem surrealen Weltall.

Der kleine Prinz trifft auf Gulliver – so in etwa waren meine Assoziationen, wobei ich auch ständig an Nimmerklug im Knirpsenland denken musste.

Das Buch ist nicht einfach nur abgefahren. Es wuselt zwischen grausiger Dystopie und fröhlichem Anarchismus genauso locker hin und her, wie zwischen Märchen und phantastischem Roman. Die vom Autor selbst beigesteuerten Illustrationen unterstützen das Gemenge durch gekonnten Kinderbuchstil bzw. ähneln sie den klassischen Zeichnungen in den SF-Romanen meiner Jugend. Dieser Kontrast bildete für mich fast das größte Vergnügen – aber nur fast, denn noch beeindruckender fand ich die Sprache. Experimentell, verschroben und wortgewitzt. Ich kann mich über so etwas köstlich amüsieren und wenn das Ganze noch mit überbordender Fantasie gewürzt wird, bin ich rundum glücklich.

Meine Rezi im Fantasyguide: Knallmasse von Ulrich Holbein

Das kurze Grinsen

Alle Jahre wieder trudeln die Literatur-Preise den Wörterberg hinunter und meist verfolgt man nur ein paar von ihnen, so groß ist ihre Anzahl.
Mich interessieren die Phantastik-Preise und von den anderen nur die, in denen phantastische Werke nominiert werden.
Ab und zu richte ich auch meine Lektüre danach aus. So stellte ich nach den Nominierungen zu DSFP und KLP fest, dass ich bei den Kurzgeschichten 2015 doch einige Lücken besaß. Zumindest eine konnte ich nun schließen.

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Das Amt für versäumte Ausgaben von Uwe Hermann, Cover: Ernst Wurdack

Uwe Hermann frug quasi parallel zum Lektürefortschritt von Micha Schmidt bei mir an, ob ich nicht seinen aktuellen und immerhin schon vierten Sammelband Das Amt für versäumte Ausgaben rezensieren wollte. Es enthält mit Der heilige Wasserabsperrhahn und Versuchsreihe 13 – Die Infektion zwei Kurzgeschichten, die jeweils für einen der beiden SF-Preise nominiert wurden und von daher ließ ich mich gern bequatschen.

Von den zehn Geschichten gefielen mir letztlich nur drei wirklich gut, der Rest ist okay. Zumindest konnte ich Versuchsreihe 13 – Die Infektion als rechtmäßige Nominierung bestätigen und hab nun etwas zum Grübeln für meine KLP-Abstimmung.
Konkreter auf die Geschichten gehe ich in meiner Rezi ein: Das Amt für versäumte Ausgaben von Uwe Hermann

Der DSFP ist übrigens seit Anfang der Woche gelaufen. Erwartungsgemäß gewann bei den Romanen Andreas Brandhorst mit Das Schiff. Ich kenne das Buch nicht, aber den Lesegeschmack einige Jurymitglieder und enthusiastische Äußerungen im Vorfeld ließen wenig Zweifel an der Tendenz einer Entscheidung. Glückwunsch, Andreas!

Große Freude bereite mir natürlich der Sieg von Frank Böhmerts Story Operation Gnadenakt. Es ist eine kleine, böse und hintersinnige Pointengeschichte. Kurz und auf den Punkt geschrieben, wie es sich für einen echten Böhmert gehört und trotzdem haut sie dir ganz große menschliche Themen um die Ohren. Das nächste Future Food wird also nicht nur seinem Hörspielklassiker gewidmet sein, sondern auch das Ende eines Ewigen Geheimtipps feiern. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.

Also werd ich mal brav aufessen.

Leider bin ich Gott

Als Ungläubiger ist Religion ja immer etwas, dem man sich intellektuell nur annähern kann. Komplett verstehen werd ich das wohl nie.

Aber da ich mir viele Dinge vorstellen kann, käme es auch in Betracht, dass etwa meine Bartstoppeln religiös sind und ich jenes Überwesen darstelle, das sie regelmäßig zurechtstutzen muss.

Tut mir Leid, Jungs, aber dem Zusammenleben mit einer Göttin muss auch ich Opfer darbringen.

Warum sich nun Dietmar Dath mit Religion befasst hat, weiß ich nicht, aber sein kurzzeitig jüngster Roman, Leider bin ich tot, setzt sich intensiv damit auseinander und das über weite Strecken außerhalb meiner Verständnismöglichkeiten.

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Leider bin ich tot von Dietmar Dath, Cover von Oliver Scheibler

Zumindest aber die Anfänge seiner Gedankenspiele leuchten mir ein. Dass sich komplexe Systeme zu Bewusstsein aufschwingen können, beweisen wir Kohlenstoffverbindungen schon zur Genüge, warum also nicht auch der Wind, oder der Geldfluss.

Dath baut in seinen Roman auf der metaphysischen Ebene dann aber noch Kain und Abel ein, mit denen ich gar nichts anzufangen weiß, außer dass einer den anderen umbrachte und dieser Brudermord für die Christen von Bedeutung ist.

Im Buch geht das hin und her, Zeitebenen wechseln, sind veränderbar wie Kain selbst, der auch eine Frau sein kann. Metawelten existieren nur einen Spiegelblick entfernt und so weiter.

Alles sehr verworren. Das bekam ich dann nicht mehr mit dem denkenden Wind oder Gräsern verknüpft.

Spannend an Leider bin ich tot ist aber viel mehr der bunte Gegenwartsmix. Ein Großteil der Handlung spielt in 2012 und Dath dokumentiert quasi einen bestimmten Zustand der Bundesrepublik anhand grandios erzählter Lebenswege. Dem Mann fließen farbenprächtige Figurenarchetypen nur so aus den Fingern. Obwohl ich Gegenwartsliteratur gar nicht mag, muss ich zugeben, das hier mit Spannung verfolgt zu haben.

Keine Empfehlung als Gesamtpaket, außer man ist philosophisch versiert genug, aber eine lohnenswerte Kostprobe dathscher Stilistik bietet sich darin allemal.

Mehr dazu in meiner Rezi: Leider bin ich tot von Dietmar Dath

Apropos Gottsein. Die Abstimmungsbögen zum KLP sind angekommen. Frank Böhmert hat sich grad zu seinen Favoriten geäußert. Ich muss mich da jetzt entscheiden, ob ich Frank Hebbens Erzählung Algorithmus des Meeres oder Daths Venus siegt bevorzuge. Verdammt schwere Sache für einen Preisgott wie mich. Vielleicht muss ich den Würfelgottjob übernehmen.

Es ist echt nicht leicht, ein Gott zu sein.

Stapelware

Die Hörspielreihe Mark Brandis Raumkadett will ich ja gut finden. Gerade weil es so wenige SF-Hörspiele gibt, aber auch Folge 7 Laurin erwies sich als Enttäuschung.

Laurin, Cover von Alexander Preuss

Laurin, Cover von Alexander Preuss

Mark Brandis scheint von Verschwörungsgeschichten leben zu müssen, sonst ist es wohl kein echter Brandis. Keine Ahnung, wem Plotlöcher in Reihe gefallen, aber mich nervt das doch.

Die frisch geprüften RaumpilotInnen werden als Eskorte für Lebensmitteltransporter in ein Krisengebiet gesendet. Dort behält man sie, damit sie das dunkle Geheimnis nicht ausplaudern können. Stattdessen dürfen sie Waffen im Einsatz testen. Doch Mark will die Welt informieren …

Natürlich fällt es niemanden auf, dass seit Monaten Transporter und Jäger nach Baku fliegen und nicht zurückkommen. Gibt ja davon genug und die entsprechenden Einheiten fragen nicht nach. Gerade die Service-Techniker werden sich über die unerwartete Freizeit freuen.

In Baku stapelt man inzwischen die unnützen Raumschiffe, stört schon niemanden.

Vielleicht bin ich zu kritisch und die Reihe dient nur der simplen Unterhaltung. Aber darf man sich nicht gute SF wünschen?

So wird das nix mit dem Hörspiel-KLP für kommerzielle Produktionen.

Der ganze Verriss im Fantasyguide: Laurin

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