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Nach dem Mangel ist die Gier noch da

Am Montag weilt Cory Doctorow in der Stadt und wird auf Einladung des Otherlands im Kreuzberger Wasserturm lesen.
Zur Abwechslung schnappte ich mir vorher etwas zur Lektüre. »Walkaway« lag eh im Otherland herum und so beginnt meine Doctorow-Erfahrung eben mit seinem jüngsten Werk – und ich bin ganz angetan.

Doctorow_CWalkaway

Walkaway von Cory Doctorow, Cover: Will Staehle und Das Illustrat

Dass Doctorow ziemlich weit links herumrennt, war mir bewusst, immerhin folge ich ihm auf Twitter und hab hin und wieder Meinungsäußerungen von ihm vernommen.
So hat es mich nicht wirklich überrascht, dass es in »Walkaway« dem Mammon und dem Kapitalismus an den Kragen geht. Das Problem sozialistischer und kommunistischer Idee ist ja immer, dass sie die Menschen stets mit Gewalt zu einer besseren Lebensweise zwingen wollen.
Doctorow versucht es in seiner Utopie eigentlich mit dem Gegenteil. Er lässt seine Figuren einfach weggehen. In einer sehr coolen Szene übernehmen ein paar Besserwisser die Führung über eine bisher führungslos organisierte Herberge. Eine der Hauptfiguren, Limpopo, eine junge Walkaway-Frau, die ziemlich viel Arbeit und Liebe in dieses B & B gesteckt hat, geht auf die Provokationen der Okkupatoren gar nicht ein. Sie geht weg und beginnt woanders ein noch besseres B & B aufzubauen.

Es gibt sehr viele Prämissen in »Walkaway« ohne die ein Großteil der Handlung nicht funktionieren würde. So existieren immer eine Menge Leute, die zusammenarbeiten wollen. Die Selbstorganisation ist chaotisch, funktioniert aber trotzdem.
Zudem gibt es dank vielfältiger 3D-Druckerei keinerlei Probleme, irgendetwas herzustellen. Von Drohnen, Maschinen, Häuser bis hin zu Lebensmitteln ist es nur eine Frage der Ideen, Muster und des Grundstoffes. Postmangelgesellschaft nennt das Doctorow. Die Walkaways nutzen dabei die Ressourcen verlassener Orte, Werke, Müllkippen und Wracks. Im Kapitalismus ist selbst Abfall immer noch Besitz und es stört das Prinzip schon immens, wenn etwa eine Verkäuferin nicht verkaufte Ware, die weggeschmissen werden soll, selbst verwendet. Diebstahl!
Den Walkaways wirft man dies auch vor. Egal wie unabhängig sie leben, wie wenig sie sich in die Belange des »Defaults« auch einmischen, allein ihre Verweigerung nach den unsinnigen Regeln zu leben und damit der Macht des Kapitals zu entfliehen, reicht schon aus, um die ganze Härte des Systems zu spüren zu bekommen.
Doctorow denkt schon lange die Grenzen von Besitz und Urheberrecht weiter und mit »Walkaway« bebildert er diese Theorien und zeigt, was dran sein könnte am Ende des Geldes.
Der ganze Roman steckt voller diskussionswürdiger Themen. Zur Kapitalismuskritik kommen noch Upload und Singularität, Diversität und Arbeitsorganisation. Es wird viel geredet in »Walkaway«, aber auch viel geliebt, gekuschelt und gelitten.
Das Weggehen durchzieht die Seiten und wird zum Prinzip, egal, wie sehr man sich an Orte und Figuren auch gewöhnt hat.

Ein cooles Buch, ein inspirierendes Werk! Ich freu mich sehr auf die Lesung.

Ein paar Worte mehr in meiner Rezi: Walkaway von Cory Doctorow

Projekt Buchpreis – Teil 7

Im Zug auf dem Weg zum BuCon beendete ich Susanne Röckels Vogelgott.

Vogelgott_Cover

Der Vogelgott von Susanne Röckel

Der Roman ließ mich etwas unzufrieden zurück. Meine beiden Hauptkritikpunkte sind die unbefriedigende, beziehungsweise fehlende Auflösung des Ganzen und die mangelnde Akzentuierung der unterschiedlichen Figuren. Stilistisch rührte die Autorin quasi einen Einheitsbrei, zwar sehr stimmungsvoll und in klassischer Manier, aber eben eine einzige Stimme für vier unterschiedliche Perspektiven.

Vielleicht aber ist das auch so gewollt, um die Individualität der vier zu negieren? Ich weiß es nicht. Genauso schwer fällt mir eine grundlegende Interpretation der Handlung. Alles dreht sich irgendwie um eine Art Fluch, die zum Schwinden des Vaters und seiner Kinder und deren Kinder führen soll. Dahinter steht irgendwas mystisches, vielleicht Böses, vielleicht aber auch Fortschrittliches zwischen Prometheus und Jesus. So richtig sah ich nicht durch.

Bis auf einige langwierige Stellen im Mittelteil las sich das Buch aber dennoch sehr flüssig. Fast atemlos folgte ich den verschiedenen Stadien von Obsession und Kontrollverlust. Wenn nur irgendwie ein Ziel der Handlung erkennbar gewesen wäre.

Also insgesamt dicht an einem tollen Phantastikwerk vorbeigeschrammt.

In Bezug auf meine Vorurteilscheckliste gibt es erneut null Punkte!

 

Gestern versuchte ich auch gleich, Archipel der Buchpreisträgerin Inger-Maria Mahlke zu erwerben. Dafür erkor ich mir die Buchhandlung Kommedia in der Marheineke Markthalle in Kreuzberg, vis-à-vis des Otherlands.

KommediaBuchhandlung

Es war ausverkauft. Dennoch frug ich den Buchhändler Lutz Stolze über die Bedeutung des Buchpreises für seinen Laden. Er würde schon etwas bringen, weil die Menschen sich nach der medialen Aufmerksamkeit richteten, egal ob das Buch nun gut oder schlecht sei. Der Preis sei eben eine Marketingmaßnahme und für ihn zumindest funktioniert sie.

Ich werde nächste Woche wieder vorbeischauen, dann dürfte eine Lieferung mit Exemplaren eingetroffen sein.

Da ich eh ins Otherland musste, um mir die Karte für die heutige Lesung von Cixin Liu abzuholen, nahm ich gleich den neuen Doctorow, Walkaway, mit. Cory liest am 05.11. im Wasserturm Kreuzberg und es wurde einfach Zeit, dass ich was von ihm lese.

Zum Schluss noch der Verweis auf meine Rezi: Der Vogelgott von Susanne Röckel

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