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Die Explosion der Kritik

Im Januar beschwerte sich Jörg Sundermeier vom Verbrecherverlag über das Niveau der Literaturkritik.
Dazu gab es diverse Reaktion, etwa im Tagesspiegel, der Zeit oder beim NDR.
Während Sundermeier letztlich beklagt, dass seine Bücher und AutorInnen so wenig Aufmerksamkeit in der Presse erregen, geht es in der Debatte eher darum, das veränderte Wesen der Literaturkritik zu beschreiben.
Das klingt dann sehr schnell danach, Sundermeier als Ewiggestrigen hinzustellen, der einer veralteten Form der Besprechung nachtrauert.

Als Rezensent und Autor in einem Genre, das weder unter LeserInnen noch unter JournalistInnen großartig Beachtung findet, ist das Thema Literaturkritik von beiden Aspekten geprägt: Sowohl mangelnde Aufmerksamkeit als auch das veränderte Wesen moderner Literaturkritik. Beides hat auch mit der gewandelten Presselandschaft zu tun.

Es gibt mittlerweile soviele Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Kulturschaffende, dass die klassischen Medien überhaupt nicht in der Lage sind, über alles zu berichten. Hinzu kommt das eigene Lesepublikum. Es ist verständlich, dass eher über das xte Bob Dylan-Konzert berichtet wird, als über der ersten Auftritt einer nigelnagelneuen Garagenband in einem Hinterhofclub.

Sundermeier erhofft sich, dass kritischere Kritiker die Perlen in seinem Programm eher finden und herausstellen und zudem die Glasmurmeln im Mainstream enttarnen würden.
Doch damit dürfte er nicht allein stehen.

Wie oft arbeitet man monatelang an einer coolen Anthologie mit den heißesten Kurzgeschichten des Jahrhunderts und dann gibt es zwei drei Erwähnungen, eine etwas längere Besprechung mit allgemeinen Worten und wenn man ganz großes Glück hat, eine etwas ausführlichere Rezension, die auf jede Geschichte kurz eingeht.
Spätestens nach sechs Monaten ist jedoch jegliches Echo verhallt.
Das kann als HerausgeberIn schon frustrieren und ist vielleicht auch ein Grund, warum es die Kurzgeschichte so schwer hat in Deutschland, wie es Markus Mäurer in seinem Blog untersucht: Ein Plädoyer für die übersetzte phantastische Kurzgeschichte.

Andererseits sind gerade Genre-Rezensionen eine undankbare Arbeit. An einer Anthologiebesprechung, die jede Geschichte kurz würdigt, schreibe ich etwa drei Stunden. Das Einarbeiten ins Redaktionssystem kostet gut und gern eine weitere Stunde. Das Feedback ist der Szene entsprechend auch hier fast Null.

Da überlegt man es sich dreimal, ob man Rezensionsexemplare liest, die einen gar nicht interessieren und zum anderen, ob man sich die Mühe macht, ein schlechtes Buch öffentlich zu verreißen.
Als reiner Hobby-Schreiber sucht man sich da lieber die Perlen. Ob man dabei dann jede Auster im großen Ozean der Veröffentlichung findet, ist wieder eine andere Sache.

Auch professionelle Literaturkritiker unterliegen keinem Zwang, über alles zu berichten, was auf dem Markt zu haben ist. Sie wählen ebenfalls sorgfältig aus oder unterliegen dabei diversen Redaktionskriterien.

Ein Dilemma, dass die bisherige Debatte nicht auflösen konnte.
Vielleicht aber haben die LeserInnen schon längst darüber entschieden, wo es mit der Literaturkritik hingehen soll und wir haben es nur noch nicht begriffen:

Vielleicht braucht man uns einfach gar nicht mehr.

Jahresrückblick 2014

Kann man ja noch machen. Durch meine zeitweise Aktivität in der Jury des DSFP habe ich Anfang des Jahres noch viele deutsche SF-Neuerscheinungen gelesen. Darunter sehr viel Schrott. Deshalb wird meine Lektüre wohl dieses Jahr weniger als 56 Titel umfassen, aber mehr gute Bücher. Denn bei vielen DSFP-relevanten Texten weiß ich vorher schon, dass sie nichts für mich sind. Doch bevor das neue Jahr neues Lesevergnügen bringt, ein kurzer Rückblick.

Von den 56 Titeln waren zwei Sachbücher im weiteren Sinne, nämlich die großartige Biographie von Tom Reiss Der schwarze General über den Vater von Alexandre Dumas und die sehr aufschlussreiche Autobiographie von Samuel R. Delany Die Bewegung von Licht in Wasser.

Ansonsten lässt sich meine Lektüre grob in Phantastik und Klassiker unterteilen, wobei ich natürlich auch bei den Klassikern die phantastischen Werke meist bevorzuge.
Eine große Entdeckung war für mich Gabriel Garcia Marques und seine Hundert Jahre Einsamkeit, aber auch die wunderbar kommentierten Ausgaben der Madame Bovary und Bulgakows Meister und Margarita.
Ganz neu gestaltete sich mein Blick auf Finnland durch Karl August Tavaststjernas Harte Zeiten, das sich für mich gleich neben den Jahrhundertroman Gösta Berling von Selma Lagerlöf einreiht, was das Gefühl für unsere nordischen Freunde anbelangt.

Ein anderer literarischer Schwerpunkt bildete sich dieses Jahr eher zufällig: Die USA
Es fing an mit der englischen Ausgabe von American Gods. Ging weiter mit Matt Ruffs Ich und die anderen, vertiefte sich mit dem Delany und seiner Schwulenwunderwelt, zu der Jack Kerouacs Unterwegs perfekt passte.
Und ganz überraschend stolperte dann mein Buch des Jahres hinterdrein: Richard Lorenz‘ Amerika-Plakate. Eine sensible und aktuelle Verwirblung des USA-Themas.
Jetzt muss ich mir nur noch mal Smoke anschauen.
Zum Ausklang des Lektürebogens ergab sich mit Daniel Keyes Blumen für Algernon dann noch eine weitere klassische SF-Zutat.
Dieser bunte Bilderreigen beschreibt zwar eine vergangene USA, hilft aber schon, die Nachrichten zu verstehen, die so übern Teich schwappen.

Darüber hinaus gab es diverse coole Bücher. Allen voran natürlich Dietmar Daths Feldeváye. Dath hat sich mir dieses Jahr durch Lesung, Theaterbesuch und Interview ins intellektuelle Herz geschlichen.
Erwähnt werden muss unbedingt auch noch Gecko Neumckes ein totes im see‘bolo, bei dem mir brennend heiß einfällt, dass ich da ja noch ein Interview irgendwo auf der Platte hab, das veröffentlicht werden will. Die Novelle ist auf jeden und unbedingten Fall empfehlenswert. Gerade auch, weil Frank Böhmert sie so schön in seinen PR-Neo Band Berlin 2037 literarisch würdigt.

Neben einigen Anthologien las ich auch etliche Sammlungen mit Kurzgeschichten, die eigentlich alle erwähnenswert sind: Nathaniel Hawthornes Die Mächte des Bösen, Boris Kochs Dionysos tanzt, Markus K. Korbs Der Struwelpeter-Code und Matthias Falkes Buch aus Stein.
Matthias hat übrigens einen unglaublichen Buchoutput 2014 gehabt und immerhin vier seiner Bücher las ich auch!

Ungewöhnliche Bücher schreibt Jasper Nicolaisen dessen Winteraustreiben und ebenso sein als Margharete Grimma veröffentlichtes Rex Feuchti mehr Aufmerksamkeit verdienten.
Schöne Lesestunden hatte ich auch mit Félix J. Palmas Die Landkarte der Zeit, Karsten Kruschels Das Dikicht, Michael Siefeners Die magische Bibliothek und Charles Stross‘ Accelerando.

Von den D9E-Romanen muss ich vor allem Nadine Boos‘ Der Schwarm der Trilobiten hervorheben, da er nicht nur eine Abwechslung innerhalb der Reihe darstellt, sondern ich ihre Art zu schreiben sehr genossen habe. Bisher hat die Reihe meine Erwartungen noch nicht ganz so erfüllt, kann sie wahrscheinlich auch nicht, aber wenn eine Autorin wie Nadine dadurch gefördert wird, hat Ernst Wurdack alles richtig gemacht.

Zum Schluss noch der Hinweis auf das einzige Lyrikbändchen des Jahres: Frank Hebben – Oubliette. Klein, fein und riesengroß. Selbst für meinen hohen Anspruch schreibt der Hebben gute Gedichte. Die Veröffentlichung ist mehr als gerechtfertigt. Von den vielen hundert Gedichten, die ich dieses Jahr las, waren nicht viele ähnlich beachtenswert.

Insgesamt bin ich mehr als zufrieden mit meinem Lesejahr, das ich mit vielen besuchten Lesungen, Interviews, einem Con und zwei Messen bereichern konnte.

Danke auch an Frank Böhmert, Rene Nowotny, Kai Bosse, Dandelion, dem Otherland und Golkonda, ohne die es nur halb so phantastisch gewesen wäre.

Lektüreprobleme

Für den DSFP lese ich gerade Drake von H. D. Klein. Ach, was ist das schwer, sich mit diesem Buch zu beschäftigen. Klar, mich hatte der Klappentext nicht gereizt, das Buch schon vorab zu lesen und mein Gefühl scheint sich zu bewahrheiten. Zwar gibt es spannende Momente, aber erzählerisch bringt Klein mich ständig auf die Palme. Langweilige und redundante Innensichten von zu vielen Figuren und Plotwendungen, die ausgewürfelt scheinen.
Ohne Pflicht, hätte ich es schon längst beiseite gelegt. Ok, ich hätte es gar nicht erst angefangen.

Ein ganz anderes Problem liefert Dietmar Dath. Feldeváye macht unglaublichen Spaß. Hier gibt es erzählerisch und vor allem was die sprühende Fantasie anbelangt, nichts zu meckern.

Nichts zu meckern, ist, als Erklärung für Nichtberliner, der Olymp der Komplimente

Und was ist das Problem? Dath-typisch gibt es Auslassungen im Text, denen ich gedanklich nicht zu folgen mag. Bin ich einfach zu blöd für. Das betrifft wahrscheinlich sogar den Grundgedanken des Romans. Irgendwie geht es um eine Gesellschaft, in der es keine Kunst gibt, da sie verwirklicht ist. Dann kommt aber doch wieder Kunst hinzu und das verwirrt alle.

Ehrlich, ich hab bisher keine Ahnung, wo das Problem ist, oder was es bedeutet, wenn Kunst verwirklicht ist.

Ich sehe mich ja auch als Künstler. Aber das hat für mich nichts mit Verwirklichung zu tun, sondern mit Laufen- und Rauslassen. Und das wäre nichts, dass sich beenden könnte, außer mit meinem Ableben.

Nächste Woche issa im Otherland und ihr könnt euch drauf verlassen, dass ich den Kollegen dazu befrage. In Deutsch kann ich Fragen stellen. Da mangelt es mir bei den englischsprachigen AutorInnen-Events noch.

Eine große Sache noch zum Schluss. Mit schwellender Freude höre ich gerade das neue Notwist-Album CLOSE TO THE GLASS in Dauerschleife. Jedesmal gibt’s wieder etwas neues zu hören. Sounds, Effekte und melancholischer Gesang. Was für ein Glück, dass bald ein Konzert ansteht.
:wave:

American Gods – Gedanken zur Lektüre

Diese Woche gab es drei Blogeinträge, die sich ebenfalls, zwei nur nebenbei, mit meiner aktuellen Lektüre: American Gods von Neil Gaiman beschäftigen.

Da ich von dem Buch immer noch total begeistert bin – schon über die Mitte hinweg – will ich die drei verlinken.

Christoph Jarosch aka Anubis, nicht zu verwechseln mit Anubis aus dem Horror-Forum, beschäftigt sich in seinem Blog-Artikel Merkwürdige Geschöpfe mit dem Referenzsystem amerikanischer Fantasy-Autoren. Seltsamerweise beziehen sie sich lieber auf europäische Traditionen. In diesem Zusammenhang stellt er fest:

Die vielleicht bekannteste auf Americana basierende Fantasy, American Gods, wurde von einem Europäer geschrieben.

Jo, Neil Gaiman ist Brite und schrieb »American Gods« auf seiner Reise quer durch die Staaten. Wie er diverse GötttInnen mit US-amerikanischer Geschichte und Gegenwart verbindet, ist ziemlich fesselnd. Wie gesagt, ich bin immer noch hin und weg.

Die zweite Erwähnung des Romans gabs drüben beim SF-Kumpel und Übersetzer Frank Böhmert. In seinem Lektüre-Hinweis I’ve Read: Neil Gaiman, THE OCEAN AT THE END OF THE LANE (UK 2013) wies er darauf hin:

I absolutely wanted to read another book by Gaiman right now and went and bought AMERICAN GODS and started reading the same day.

Und da Frank das mit dem Englisch einfach besser drauf hat als ich, ist just heute schon sein Bericht zu »American Gods« erschienen: I’ve Read: Neil Gaiman, AMERICAN GODS (UK 2001)
Fixer Frank.

Interessant sein Hinweis:

[…] I need […] his interest in healing which is bigger than his interest in inducing fear.

Tatsächlich sehe ich »American Gods« bisher nicht als Horror oder auch nur dunkle Phantastik. Vielmehr ist diese fluffig leichtfüßige Kost, wie sie mir schon in Matt Ruffs grandiosem Roman Fool on the Hill begegnete.

Übrigens las ich The Ocean at the end of the lane im Juli während des Sommerurlaubs in London. Mein allererstes Buch auf englisch. Stimmungsvolle und verführerische Lektüre. Ein Buch, sich an die Kindheit zu erinnern, auf eine mystische Art und Weise. Gaiman kann das. Er ist ein Meisterzauberer!

Verleger Ernst Wurdack im Interview

Für den Fantasyguide habe ich den Mastermind des Wurdack Verlages anlässlich des Startes der SF-Reihe Die Neunte Expansion ausgequetscht. Hier der Link zum Interview mit dem Verleger Ernst Wurdack.

Zu der Serie wird es weitere Interviews geben, da ich die Sache sehr unterstützenswert finde.

Das ganze begann im Übrigen als Diskussion im SF-Net.

Stark beeindruckt bin ich im Übrigen von meiner aktuellen Lektüre: American Gods von Neil Gaiman. Es ist nicht nur mein zweites englischsprachiges Buch, an dem ich mich versuche, es ist auch: Wow!
8|
Bin schwer begeistert von der Atmosphäre, die es ausstrahlt. Trotz der seltsamen Dinge, die der Hauptfigur Shadow passieren. Bin sehr froh, diesen Klassiker im Original zu lesen und auch größtenteils zu verstehen. Man darf sich gar nicht aufs Übersetzen konzentrieren, sondern muss das Hirn im Automatikmodus durch den Text gleiten lassen.
Komische Sache. Aber es funktioniert.

Rezension online: Georg Klein – Die Zukunft des Mars

Georg Kleins wunderschönes Buch zu lesen hat mir große Freude bereitet. Es ist herrlich altmodisch und besitzt einen großen Kuschelfaktor.

Die Zukunft des Mars von Georg Klein

Man hätte aber durchaus mehr aus den Ideen machen können. Im Nachhinein fühlt sich das Buch wie SF light an.

Wie gewohnt gibt’s die ganze Rezension des Science-Fiction Romans im Fantasyguide.

Meine neue Lektüre ist ebenfalls Science-Fiction, aber diesmal Military-SF vom Altmeister Dirk van den Boom, dessen nunmehr fünften Tentakelband Tentakelblut ich seit gestern goutiere.

Es gibt dazu auch einen Lesezirkel bei SF-Fan.

Tentakelblut von Dirk van den Boom

»Tentakelblut« ist der mittlere Band der zweiten Tentakeltrilogie. Dirk schreibt am liebsten Mehrteiler, weil sich das besser verkauft. Zudem ist er nur glücklich, wenn er mindestens drei Reihen gleichzeitig vorantreibt. Geschäftstüchtig wie ein Ferengi.

Stilistisch und formal ist »Tentakelblut« ein komplett anderes Universum als »Die Zukunft des Mars«. Ich bin gespannt, ob mir dieser Teil ähnlich viel Spaß macht wie sein Vorgänger Tentakelwacht.

Lesung im Literarischen Colloqium Berlin

Ungemein passend zu meiner aktuellen Lektüre Nichts von euch auf Erden von Reinhard Jirgl und Die Zukunft des Mars von Georg Klein veranstaltete das Literarische Colloquium in Berlin eine Leserunde mit beiden Autoren.

Begleitet wurden sie vom dichtenden Literaturkritiker Nico Bleutge und als Moderator, da die Veranstaltung als Sendung des Deutschlandfunks aufgezeichnet wurde, Denis Scheck.

LCB_1
Nico Bleutge, Georg Klein, Denis Scheck und Reinhard Jirgl (v. l. n. r.)

Ich war das allererste Mal im LCB. Es ist eine altehrwürdige Villa und strahlt einen entsprechenden Habitus aus, allerdings vermittelten diverse Kleinigkeiten der Ausstattung im Innern schnell das Gefühl, dass man sich dieses Haus durchaus aneignen kann, dass es Podium und Freiraum sein will. Allerdings auf eine ernste Weise.

Die Veranstaltung war mäßig besucht. Vielleicht fünfzig Zuhörer. Vermutlich war ich der einzige SF-Fan, zumindest entsprach ich als dicker Typ mit Brille und schwarzem T-Shirt als einziger dem entsprechenden Rollenklischee. Sicherheitshalber hatte ich ein Hamletmotiv für die Oberbekleidung ausgewählt, aber der Schädel vom armen Yorrik ist vielleicht nicht spacig genug.
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Denis Scheck betrachtete zunächst die drei Gemeinsamkeiten der Autoren. Beide wurden dieses Jahr 60, schrieben ein Marsbuch und lange Jahre für die Schublade. Während Reinhard Jirgl sehr technisch auftritt, stets bedacht auch das zu sagen, was er meint, gibt der Augsburger Klein eher den charmanten Literaten, kokett und liebenswürdig.
Auch das Lesen absolvierten beide sehr unterschiedlich. Jirgl rast und kann die eigene Sprachmetaphorik nicht im geringsten akustisch darstellen. Klein macht das wesentlich gefälliger, was aber angesichts seines munter fließenden Schreibstils auch ungemein einfacher ist.

Interessant für mich war natürlich an erster Stelle, wie sich Jirgl auf Fragen zur SF und zu seinem Schreibstil äußerte. Das machte er ganz gut. Scheck stellte auch die richtigen Fragen, fand ich. Leider merkte man überdeutlich, dass sie von SF nur oberflächliche und eher klassische Vorstellungen haben. Witzigerweise sind es auch die klassischen SF-Fans, die mit Jirgl nichts anfangen können/wollen.
Klein dürfte da weniger Schwierigkeiten haben. Sein Roman ist quasi Philip K. Dick in Reinkultur.

Jedenfalls fand ich Gespräch und Lesung sehr gelungen, auch wenn ich eher gehen musste. Aber der Wannsee liegt leider auf der falschen Seite Berlins und der Wecker kennt früh keine Gnade.

Der Deutschlandfunk strahlt die Sendung am Samstag, 28. September 2013 um 20:05 Uhr aus. Jetzt muss ich mich nur noch darum kümmern, das irgendwie aufzunehmen.
:wave:

Neue Rezi und neue Lektüre

Nach der doch recht anstrengenden Leküre von Reinhard Jirgls Nichts von euch auf Erden wandte ich mich eher leichterer Kost zu.

Meine Redaktionskollegin Christel Scheja vom Fantasyguide bat mich, die Anthologie Mit Feder und Klinge zu rezensieren. Das Büchlein las sich so flott weg, dass die Rezi auch schon fertig ist.

Mein Fazit:
Sieben Autorinnen führen durch ganz unterschiedliche Fantasywelten. Von klassisch, über modern bis hin zur grotesken Satire bietet »Mit Klinge und Feder« in erster Linie angenehme Unterhaltung, ohne viel Gewalt aber tatsächlich mit jeder Menge Herzblut.

Hier der Link zur kompletten Rezension: »Mit Klinge und Feder«.

Und schwups griff ich mir von meinem SUB das nächste Buch: Die Zukunft des Mars von Georg Klein. Der Mann ist unter anderem Preisträger des von mir nicht so geschätzten Bachmannpreises. Aufmerksam wurde ich auf das Buch durch eine Besprechung in der Berliner Zeitung.

Es ist Freitag!

Ja, Freitag ist toll. Fast Wochenende und die Arbeitswoche entschwindet.
:yes:

Gestern habe ich Reinhard Jirgls »Nichts von euch auf Erden« beendet. Die Rezi dazu folgt demnächst. Auf jeden Fall ist das Buch ein ziemlich guter Science-Fiction Roman geworden. Es gibt viele gute Ideen, krasse Beschreibungen und Szenen, die durch die eigenwillige Schriftcodierung besondere Kraft entfalten und es endet hochphilosophisch, ganz im Stil klassischer SF-Utopien.

Auch mit meinem Saramee-Roman »Schwingen« kam ich voran. Aber ist nicht leicht, über ein sechsjähriges Mädchen zu schreiben, dass sich in der Gewalt eines irren Massenmörders befindet. Zwar gibt es keine physische Gewalt, aber nahe geht mir das Schicksal von Lele schon.
Jedenfalls bin ich bei 20.000 Anschlägen und hab somit die ersten zehn Prozent geschafft. Hoffentlich hänge ich jetzt in diesem Kapitel nicht zu lange.

Das Wochenende wird mich bei schönem Wetter im Garten sehn, da gibts noch viel zu tun und Sonntag ist dann Bundestagswahl. Ich werde wieder die Piraten wählen. Die haben zwar in letzter Zeit mehr mit sich selbst zu tun gehabt, aber als Alternative zu den satten Marionetten sind sie mir immer am sympatischsten. Und der Direktkandidat bei uns, Volker Schröder, kann auch gut grinsen. Noch. :>>

Pirat Volker Schröder

Wo laufen sie denn?

Ein Problem, das sowohl LeserInnen als auch AutorInnen von Genreliteratur haben, heißt Zielgruppe.

Man ist es ja inzwischen gewohnt, dass Science-Fiction kaum noch so benannt wird und man sehr sorgfältig die Neuveröffentlichungen beobachten muss, will man nichts aus dem Lieblingsgenre verpassen. Gerade die großen deutschen Verlage meiden das Stigma SF.
Oft stolpert die SF-Gemeinde eher zufällig über solche Veröffentlichungen, denn offenbar sieht man sie gar nicht als Zielgruppe.

Als Juli Zeh die Nominierung ihres SF-Romans Corpus Delicti für den Kurd-Laßwitz-Preis ablehnte, begründete sie das damit, dass sie ihren Roman nicht als SF sähe.
Das ist ihr gutes Recht, aber es stellt sich die Frage, für wen schrieb sie ihren Roman? Warum wählte sie explizit ein Zukunftsszenario um ihre Geschichte zu erzählen, wenn sie dann doch irgendwie Scheu davor hat?
SF-Fans lesen Bücher mit Zukunftsszenarien. Das ist quasi ein Teil ihrer Definition des Genres. Sie sind automatisch die Zielgruppe solcher Bücher.

Ein ähnliches Auseinanderdriften lässt sich bei Nichts von euch auf Erden von Reinhard Jirgl feststellen – meiner aktuellen Lektüre.
Der Roman wurde im Feuilleton besprochen, der Verlag hat offensichtlich ganz normale Pressearbeit betrieben, aber eben nicht in der genuinen Zielgruppe. Warum?

Das Buch selbst ist, ich hab davon berichtet, in einer Sprache geschrieben, DurchschnittsleserInnen ausschließt. Trotz der Verwendung interessanter SF-Themen und Topoi scheint sich der Roman an jemand anderes zu wenden. Nun braucht Kunst keine Adressaten, es ist also eigentlich sinnlos zu hinterfragen, warum Jirgl SF nicht für normale SF-Fans schrieb. Hätte er die Geschichte in gebräuchlichen Worten erzählt, wäre es immer noch ein grandioser SF-Roman geworden.
So aber engt sich Leserschaft dramatisch ein. Das Buch verschwindet aus der Wahrnehmung der SF-Gemeinde und schlägt auf im Westentaschenuniversum deutscher Hochliteratur.

Das wird dem Hanser Verlag klar gewesen sein. Und so landet ein prallvolles Füllhorn moderner SF im germanistischen Archiv und wird zur Fußnote in der Geschichte der Deutschen Science Fiction: Jirgl, Reinhard – schrieb auch mal einen SF-Roman.

Und das macht mich traurig. Wahrscheinlich liegt es am Herbst.

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