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Pirschgänge und Schmetterlingsflügel

Im SF-Club Andymon war ich schon ewig nicht mehr, aber Corona steigerte meinen Enthusiasmus, den inneren Elf zu überwinden, abends in die finstere Dunkelheit hinauszuziehen, um Kultur zu erleben.


SF-Club Andymon in den Räumen des »Kulturbunds Treptow« in der Ernststraße

Außerdem stellten die Steinmüllers ihren ersten Essayband »Streifzüge« vor. Der erschien bei Memoranda als Teil der Werkausgabe und Hardy Kettlitz höchstpersönlich scannte vor dem Kulturhaus die Impfzertifikate, denn es galt 2G (genesen oder geimpft, nicht gelesen oder gekauft).

Der Raum war voll, Hardys App zeigte 24 Geimpfte und Ralf Neukirchen begrüßte die Mitglieder und Gäste sichtlich mit Vergnügen. Da die Steinmüllers am Wochenende auf dem Penta-Con in Dresden, dem letzten leider, ihren KLP für »Marslandschaften« erhielten, wurde auch dieses Ereignis entsprechend erwähnt.

Ralf Neukirchen

Für die Erzählung hatte ich auch gestimmt, wenn auch sie nicht meine Favoritin war.

Um die Buchpremiere angemessen zu begehen, hatte Karlheinz einen kleinen Powerpoint-Vortrag vorbereitet und wer ihn kennt weiß, dass die Folien sehr gut gemacht sind und er zu jeder problemlos eine Stunde reden könnte. Er präsentierte uns die Hintergründe des Bandes, was, wie und warum ausgewählt wurde; immerhin hat das Paar hundert Essays sowie diverse Rezensionen und Verlagsgutachten im Repertoire.

Karlheinz Steinmüller

Natürlich ging er kurz auf einige der besprochenen Werke ein und machte uns den Mund entsprechend wässerig, etwa die französische SF des 19. Jahrhunderts zu entdecken.

Dann ging er auf die Mühen der Bildersuche ein, die nicht nur gemeinfrei sein, sondern auch in entsprechender Druckqualität gescannt werden mussten, was dank Moiré-Effekten, nicht immer gelang. So erfuhren wir auch, was die beiden an Geld für alte Drucke und Zeitungen auszugeben bereit sind.

Lustig auch die Anekdote zu Illustrationen der Italienischen Ausgabe von Herschels Mondabenteuer, in der die Mondfrauen anstelle von Fledermausflügeln die von Schmetterlingen trugen.

Scoperta Lunare

Erneut beeindruckten mich Wissen und Leidenschaft, die sich im Vortrag zeigten.

Es gab auch einen Ausblick auf die beiden nächsten Bände. Sie schlugen als Titel »Pirschgänge« in Fortsetzung der »Streifzüge« vor, aber Hardys Reaktion war nicht so enthusiastisch.

Immer wieder vergnüglich sind die kleinen Erwähnung »ihres lieben Freundes Erik« (Simon), der ihnen als strenger Lektor und Übersetzungsexperte keine einzige Ungenauigkeit durchgehenließ und dessen Meinung zu den Auswahlkriterien des Essay-Bandes zählte. Diese liebevollen Sticheleien finden sich immer wieder in Karlheinz’ Vorträgen und Gesprächen.

Ich hatte mit Erik Simon auch schon zu tun und er ist tatsächlich ungeheuer streng. Aber seither verwende ich den korrekten Apostroph.

Band drei der Essay-Bände wird dann auch den »Vorgriff auf das Lichte Morgen« enthalten, eine kommentierte Bibliographie der DDR-SF, den ich als sehr wichtiges Nachschlagewerk in der Ausgabe des EDFC bei mir im Regal stehen habe. Wenn sie dort auch überarbeiten, lohnt es sich umso mehr. Eigentlich bin ich ja eh schon fast soweit, mir auch die anderen Bände der Memoranda-Werkausgabe noch zu holen, denn sie sehen einfach besser aus. Die Shayol-Bände sind doch sehr 90er Jahre und optisch unansehnlich.

Hinterher hatte ich dann noch Gelegenheit von Hardy etwas über die nächsten Pläne von Memoranda erfahren.

Blick in den Vortragsraum, in der Mitte Karlheinz und Angela Steinmüller

Im dritten Band der Platt-Interviews wird dann endlich auch Joanna Russ auftauchen, zu der mir dann Hannes Riffel noch großartige Zukunftspläne offenbarte. Ich sollte meine SUBs schnellstmöglich abbauen.

Hardy mit dem ersten Charles-Platt-Band »Die Weltenschöpfer«

Gefreut habe ich mich auch, den Hirnkost-Macher Klaus Farin kennen zu lernen und kurz mit ihm zu plauschen. Ich bin ihm und dem Verlag immer noch sehr dankbar, dass sie das SF-Jahr fortführen. Die erste Auflage des 2021-Bandes ist fast ausverkauft, man hätte wohl hundert Exemplare mehr drucken können. Es bleibt aber dennoch ein Liebhaberprojekt. Zum Glück hab ich mir den Wikipedia-Eintrag zu Klaus Farin erst jetzt beim Schreiben des Blogartikels durchgelesen, ich hätte diese Szenelegende mit Kreuz am Bande vielleicht nicht angesprochen.

Klaus Farin und Hannes Riffel

Hirnkost wird neben Memoranda auf der Buch Berlin anzutreffen sein und auch benSwerk wird dabei sein. Von ihr wollte ich auch noch ein paar Sachen kaufen …

Hoffen wir, dass die Messe stattfindet, bei den aktuellen Zahlen hab ich da meine Befürchtungen.

Moderne Technik und Bücher

Ein schöner Abend, ich fühlte mich wohl dort und Corona ist Elfenwerk!

Wer in die Zukunft fliegt, landet in der Vergangenheit

Ich bin seit meiner Jugend Fan des Autorenpaares Angela und Karlheinz Steinmüller. Mit »Andymon« verfassten sie eines meiner ewigen Lieblingsbücher und ich verfolge das Wirken der beiden seither fleißig. Was auch gar nicht schwer ist, immerhin wohnen sie auch in Köpenick und zum anderen besuchen sie regelmäßig Cons und andere Events.

Im April stellten sie im Otherland ihr jüngstes Werk vor: »Sphärenklänge. Geschichten von der Relativistischen Flotte«. Es erschien als Band 9 der Gesamtausgabe bei Memoranda, dem Golkonda-Imprint von Hardy Kettlitz, der die Reihe nach dem Untergang von Shayol fortführt.

Angela und Karlheinz im Otherland 2019

Normalerweise fasst so eine Werkausgabe ja das vor Urzeiten erschiene Zeugs der Delinquenten zusammen, aber bei den Steinmüller ist nix normal. Sie waren selber überrascht, als zu Beginn der Werkausgabe gleich dazugesagt wurde »… in zehn Bänden« – soviel hatten sie bis dato geschrieben. Deshalb gibt es in Band Neun nun auch nur vier alte Texte, die restlichen Acht sind knackig-frisch. Alle eint aber das Thema: Relativistisches Reisen durch den Kosmos. Was bedeutet es für die Menschen zu wissen, das in nur wenigen Jahren die Zurückgelassenen vielleicht sogar schon deren Enkel nicht mehr leben? Wie organisiert man eine Flotte sich relativistisch fortbewegender Schiffe? Wie kommt man bei einer Rückkehr zurecht oder mit Kolonien, von denen man am Beginn der Reise noch gar nichts wusste? Und vor allem: Was macht das aus uns?

Sphärenklänge von Angela Steinmüller und Karlheinz Steinmüller

Ganz besonders berührte mich die Geschichte um eine ausgemusterte Wissenschaftlerin, die man für verrückt hält und der man einen Androiden zur Seite stellt, um sie im Blick zu behalten. »URM 6754 und die Sphärenklänge« handelt vom Altern und vom Wunsch, respektiert zu werden. In Anbetracht der Geburtsjahrgänge von Angela und Karlheinz streift mich da mehr als nur ein sanfter Hauch der Wehmut.

Aber hey, noch sind die beiden putzmunter und fabrizieren beständig neue tolle Science-Fiction. Und es ist toll mit ihren Geschichten, mit ihnen selbst alt zu werden und jung zu bleiben. Das All ist nicht die Grenze, es ist der Anfang!

In meiner Rezi gehe ich ausführlich auf jede Story ein: Sphärenklänge von Angela Steinmüller und Karlheinz Steinmüller

Dann flieg doch zum Mars!

So schön Erzählungsbände auch sind, als Rezensent bedeuten sie eine Menge Arbeit. Aber jammern hilft auch nicht und hinterher ist man stolz wie Bolle.

Jedenfalls konnte ich pünktlich zum vergangenen Wochenende die Rezi zum zweiten Band mit Kollaborationen der Steinmüllers mit Erik Simon, Leichter als Vakuum, beenden.

SST_Vakuum

Leichter als Vakuum von Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller und Erik Simon, Titelvignette: Thomas Hofmann

Der Band hat ein ziemlich cooles Konzept für die Darreichung der Geschichten.
Der Philologe Simon Zwystein veröffentlicht eine Reihe von Manuskriptsammlungen. Stets drei Texte bilden dabei eine Geschichte, die dadurch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. Dabei wechseln auch die Stile und Textformen. Es gibt Briefe, Protokolle, Märchen und Berichte aus aller Herren Länder und diversen Epochen.

Nicht alle sind SF oder überhaupt phantastisch, aber zumindest behandeln sie vorstellbare Dinge. Der Spaß liegt vor allem darin, dass die Geschichten oft nur so tun, als ob sie Uraltes behandelten. In Wirklichkeit verbergen sich in ihnen eine ganze Menge hinterlistiger Anspielungen auf die tolle Moderne.

Der Band ist so abwechslungsreich wie amüsant und wer sich gern mal wieder in eine Retroschaukel setzen möchte, konnte das schon lange nicht mehr so ausladend. Gerade der abschließende Kurzroman Die größte Reise bietet hier selbst für RetrokostverächterInnen eine große Schüssel feinster Raffinesse und Marskanäle.

Ganz ausführlich stehen meine Eindrücke wieder einmal in der Rezi für den Fantasyguide: Leichter als Vakuum von Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller und Erik Simon

Die hab ich quasi auch schon bei einem Verlag untergebracht, aber dort wird sie gekürzt erscheinen. Also nutzt die Chance und lest das unfassbar episch lange Original!

Rechts- oder linksdrehende Apostrophe

Man merkt ja oft selbst gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Als ich just Die Wurmloch-Odyssee besprach, fiel mir auf, das es bereits zwölf Jahre her ist, dass ich Angela und Karlheinz Steinmüller für ein Fantasyguide-Interview besuchte. Schon damals legten sie mir ihren Freund Erik Simon sehr ans Herz und dennoch gab es in all den Jahren nix über ihn auf unseren Seiten.

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Erik Simon auf dem Elstercon 2014

Um dies zu ändern, bat ich Memoranda-Chef Hardy Kettlitz um einen Kontakt, denn ich wollte nun auch unbedingt Erik Simon gehörig ausquetschen.

Erik war nicht nur Feuer und Flamme für das Projekt, sondern überschüttete mich mit weitreichenden Ideen. Die erste war nur allzu logisch: Frag doch mal die Steinmüllers!
Und so gibt es denn auch gleich noch ein nigelnagelneues Interview mit meinem SF-Heldenehepaar. Allerdings wollten sie sich nicht in den Vordergrund stellen, sondern ihren Freund da vorne im Rampenlicht sehen.

Von Erik hab auch gleich noch etwas gelernt, was mir gar nicht so offenbar wurde. Ohne Brille ist das auch nicht ganz so trivial: Falsche Apostrophe.
Verelfte Textprogramme nehmen gern mal ein einfaches Anführungszeichen Oben ‘ anstelle des Apostrophen ’, was natürlich komplett falsch ist. Es ist manchmal gar nicht so schlecht, einen gestandenen Lektor bei der Arbeit zu erleben. Erik ist natürlich auch noch ein phantastischer Autor, begnadeter Übersetzer und hochbewunderter Herausgeber, aber eben auch ein gewiefter Lektor. Mit dem letzten Wort selbstverständlich.

WurmlochVakuum

»Die Wurmloch-Odyssee« und »Leichter als Vakuum«

Es war ein großes Vergnügen, mit ihm an diesem Interview zu arbeiten. Das Erik-Simon-Spezial wird demnächst noch eine Rezi zu Leichter als Vakuum ergänzt, welches ebenfalls eine Kollaboration der Steinmüllers und Erik darstellt (als Band 8 der Steinmüller-Werkausgabe und Band 6 von Simon’s Fiction).

Der Herbst fängt schon mal phantastisch an!

Wer nicht knuxen kann, muss schlurfen

Einem Buch zu widerstehen fällt mal leicht (Abriss der Geschichte der SED), mal geht’s gar nicht.

Etwa wenn Hardy Kettlitz erwähnt, dass die Gesamtausgabe der Werke von Angela und Karlheinz Steinmüller weitergeht. Mein Lieblings-SF-Buch überhaupt ist bekanntermaßen, oft genug hab ichs erwähnt, ihr Roman Andymon und eines meiner allerersten Interviews im Dienste des Fantasyguides führte mich in das Wohnzimmer der beiden. Sie deckten mich mit Lektüre für zehn Leben ein, auch hier war Widerstand unmöglich.

Nun also eine Fortsetzung der Werkausgabe. Aber es kommt noch besser. Es ist die Fortsetzung zweier Werkausgaben! Denn kein geringerer als Universaltranslator Erik Simon ist schon seit Jahren mit dem Ehepaar aus Berlin auch literarisch verbandelt.

Diese Kollaborationen führten zu Die Wurmloch-Odyssee. Band 7 der Steinmüller-Werkausgabe und Band 5 von Simon’s Fiction.

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Die Wurmloch-Odyssee von Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller und Erik Simon, Titelvignette: Thomas Hofmann

Das Buch gab es bereits als Shayol-Ausgabe. Der Verlag ging ja den Bach hinunter und nur wenige Exemplare überlebten den harten Markt. Zum Glück gibt es Hardy. Sein Golkonda-Imprint Memoranda glänzt also nun mit einer neuen Ausgabe und zeitgleich erschien auch noch der nächste Band, Leichter als Vakuum.

Die Wurmloch-Odyssee bezeichnet das Schreibkollektiv als Weltraum-Operette in acht Episoden. Einige davon sind nicht neu, sondern rüstige Klassiker, nun mit janz jungem Jemüse zu einem Werk zusammen gefasst.

Ausgangsstoff war die Geschichte Der Trödelmond beim Toliman aus dem Kurzgeschichtenband Windschiefe Geraden der Steinmüller.

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Die Quellen

Olaf R. Spittel inspirierte das zur Herausgeberschaft einer Anthologie, Geschichten vom Trödelmond, für die er verschiedene Kulturschaffende um Beiträge bat.

Wer war am fleißigsten? Erik Simon! Und nun also noch mehr vom Trödelmond. Oder genauer von der Besatzung des Schiffes, deren Navigator dereinst dem Souvenir-Rausch des Trödelmondes erlag.

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Karlheinz und Angela Steinmüller 2016 auf dem ElsterCon

Es ist teilweise eine Zeitreise zurück in die literarische Vergangenheit. Das spürt man am Stil der Geschichten, am Aufbau der einzelnen Teile und vor allem an den satirischen Elementen, die sich auf die zerplatzte Welt der DDR bezogen. Ich kann das mit einem Schmunzeln oder breitem Grinsen im Gesicht würdigen und konnte Erik Simon von ganzem Herzen zustimmen, der in seinen Anmerkungen postulierte, dass es manche DDR-Absurdigkeiten zu aktuellen Reinkarnationen geschafft haben. Ich sag nur Teamtraining (In jedem Team steckt tief, ein ganzes Kollektiv).

Als Fanboy gestehe ich ohne Gewissensbisse: Ich hab hier nur Lob, oder in Zeit-Geist-Tenor: Ich bin einer von jenen, deren Begeisterung für gerade dieses Buch euch, liebe Leserschaft, »mit Stumpfheit verhätschelt und verhunzt.«

Eigentlich wollte ich auch mal wieder ein Buch im Garten arrangieren. Unser Apfelbaum hat momentan für Schnecken eine eigene Interpretation einer Wurmloch-Odyssee im Angebot, aber Samuel Hamen hat vielleicht Recht, und derartig abgeschmackter Deko-Kitsch schadet der Literatur. Untergräbt ihr Innerstes und lässt den wahren Wert einer heftigen Kritik schwinden. Ordentliches Knuxen ist immer noch am besten.

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Nur Natur, ein Wurmloch und kein Buch.

Wer lieber genüsslich schlurfen will, für den gibt es meine Rezi im Fantasyguide: Die Wurmloch-Odyssee von Angela Steinmüller, Karlheinz Steinmüller und Erik Simon

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